Korrektes Arbeiten mit dem ERP-Pflichtenheft
Um in einem Unternehmen ein Enterprise Resource Planning System (ERP) effektiv und strukturiert einführen zu können, müssen im Verlauf der Etablierung die Anweisungen im Lastenheft und Pflichtenheft genau befolgt werden. Diese beiden Begriffe bezeichnen zwei verschiedene Dokumente, welche leider des Öfteren miteinander verwechselt werden. Dies führt schließlich zu Missverständnissen. Im Folgenden wird deswegen das Pflichtenheft näher erläutert.
Unterscheidung des ERP-Lastenhefts und ERP-Pflichtenhefts im Detail
Das ERP-Lastenheft ist ein Dokument, welches die Anforderungen des Unternehmens an seine neue ERP-Software beschreibt, beispielsweise welche Features diese mitbringen soll, wie sie am besten funktionieren soll und welche Eigenschaften sie aufweisen soll. Dieses Dokument wird vom Unternehmen an die mit der Softwareerstellung beauftragte Firma versandt und dient dieser als Grundlage ihrer Arbeit. Die Erstellung des Lastenhefts bildet somit den ersten Schritt in der Einführung eines ERP-Systems. Im weiteren Verlauf der Einführung werden die im Lastenheft beschriebenen Features und Eigenschaften durch den Anbieter implementiert. Dies erfolgt dabei in enger Absprache mit dem Kundenunternehmen, etwa in Form von Workshops. Besonders in der Anfangsphase der Implementierung ist eine gute Kommunikation von entscheidender Bedeutung, damit die gewünschten Features auch so umgesetzt werden, wie der Kunden sie sich vorgestellt hat.
Im Vergleich dazu ist das ERP-Pflichtenheft ein Dokument, welches von der Firma erstellt wird, welche die zugehörige Software anhand des Lastenhefts entwickelt/anpasst und für das Unternehmen einführt. Es wird im Laufe des Workshops durch die Anbieterfirma entwickelt und umreißt die Implementierungsschritte der ERP-Software, welche das Anbieterunternehmen umzusetzen gedenkt. Anhand dieses Dokuments kann der Kunde abschätzen, wie die von ihm erwünschten und im Lastenheft umrissenen Anforderungen umgesetzt werden. Nun ist es am Kunden, diese Umsetzungsabsichten zu prüfen und dem Softwareentwickler Feedback zu geben. So wird sichergestellt, dass die entwickelten/angepassten ERP-Systeme genau den Anforderungen des Kunden entsprechen.
Das fertig abgezeichnete Pflichtenheft bildet die Grundlage des Entwicklungsvertrages zwischen Unternehmen und Softwareanbieter. Der Softwareanbieter kann nicht für Abweichungen belangt werden, wenn diese Abweichungen so im Pflichtenheft beschrieben und vom Kunden genehmigt wurden. Viele Kunden machen hier den Fehler, das Pflichtenheft einfach “durchzuwinken” und nicht mehr weiter darüber nachzudenken oder einfach auf das Beste zu hoffen.
Das Pflichtenheft prüfen und verstehen
Erhält der Kunde vom Softwareanbieter ein ERP-Pflichtenheft, ist es wichtig, dass er dieses genau prüft und mit den Vorstellungen aller beteiligten Abteilungen abgleicht. Es kann vorkommen, dass die im Lastenheft umrissenen Schritte nicht genau im Pflichtenheft umgesetzt werden, sondern vonseiten des Softwareanbieters kleinere oder größere Änderungen eintreten. Dies hat häufig einen von zwei Gründen. Es kann etwa ein Kommunikationsproblem zwischen Kunde und Softwareanbieter bestehen. Im Betriebsablauf des Kunden haben sich häufig Abläufe und Mechanismen als besonders effektiv herausgestellt und eingeschliffen, welche in der Branche im Allgemeinen nicht selbstverständlich sind. Vom Kunden als selbstverständlich wahrgenommen, erwähnt er diese nicht mehr explizit im ERP-Dokument. Ist dies der Fall, kann das Softwareunternehmen natürlich nicht die Intention des Kunden erraten und implementiert seine Wünsche nach bestem Wissen.
Eine häufige Quelle für ein solches Missverständnis ist der Versand. Häufig haben sich zwischen dem Kunden des ERP-Anbieters und dessen Produktkunden spezielle logistische Abläufe eingeschliffen, welche für die Waren und Abläufe ideal sind, beispielsweise die gestückelte Lieferung von Produkten in gesammelten Sendungen unterschiedlicher Teilprodukte. Wird dem Softwareanbieter nun nur kommuniziert, dass eine Möglichkeit zur Teillieferung implementiert werden soll, kann der Softwareanbieter dies missverstehen und nur eine Möglichkeit implementieren, homogene Warensätze gestückelt zu versenden. Ein Missverständnis, das zu Schwierigkeiten in der Lieferung und großen zusätzlichen Kosten führen kann.
Gelegentlich kann es aber auch vorkommen, dass das Softwareunternehmen von Möglichkeiten weiß, effektivere Arbeitsschritte in die ERP-Software zu implementieren, von denen der Kunde während der Erstellung des Lastenhefts noch gar nichts ahnte. Zu nennen wären hier beispielsweise Automatisierungsprozesse, welche einzelne Schritte der Herstellung oder Buchhaltung effizient und bei geringem Arbeitsaufwand organisieren. Hier hat das Softwareunternehmen häufig einen größeren Überblick über die Möglichkeiten und kann einzelne Innovationsschritte einführen.
Das Pflichtenheft korrekt lesen und Feedback geben
Wurde dem Kunden vom Softwareanbieter das Pflichtenheft zugesandt, so sollte dieser es genau lesen und mit seinen persönlichen Anforderungen abgleichen. Mögliche Unterschiede zu seinen Anforderungen sind genau zu prüfen und ihre Ursache festzustellen. Wurden die Unterschiede dadurch verursacht, dass das Lastenheft nicht genau genug verfasst wurde oder sich darin Fehler eingeschlichen haben? Dann muss dem Softwareanbieter natürlich die genaue Absicht des Kunden exakter kommuniziert werden, damit dieser sie korrekt implementieren kann. Resultieren die Unterschiede aus möglichen Innovationsschritten, von denen der Kunde noch nichts wusste, ist zu prüfen, ob diese Innovationen für seine Anforderungen richtig und nützlich sind. Nicht jede Neuerung muss auch positiv für das Unternehmen sein, aber häufig kann man diese zumindest in abgewandelter Form für sich nutzen.
Auf jeden Fall sollte nach der genauen Analyse des Pflichtenheftes ein ausführliches Feedback an den Softwareanbieter erfolgen. Nur so wird sichergestellt, dass Fehler in der Softwareentwicklung von vorneherein ausgeschlossen werden und die Entwicklung der Software ohne größere Schwierigkeiten voranschreiten kann.
Sollten größere Fehler erst während der Testphase oder (noch schlimmer) während des laufenden Betriebes auffallen, so kann dies zu größeren Kosten führen – entweder durch eine erforderliche Neuentwicklung der Software oder durch Lieferengpässe oder anfallende Konventionalstrafen. Am besten ist es natürlich, wenn das Softwareunternehmen bereits zum Workshop zur Erstellung des Pflichtenheftes eine Demoversion des zu entwickelnden ERP-Systems mitbringt und daran die einzelnen Arbeitsschritte demonstriert. Auch im Workshop sollte eine genaue Arbeit mit dem Anbieterunternehmen angestrebt werden, denn häufig lassen sich so schon erste Fehler ausmerzen.